NRW-Klasse I 2013/14: SG Niederkassel – Oberhausener SV

Marcel Becker

Unsere fünfte Runde in der NRW-Klasse beim Gastgeber SG Niederkassel lief unter dem Motto „Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam noch Pech hinzu!“.

Aufgestellt waren wir nahezu in Bestbesetzung, einzig unser Geburtstagskind Vlastimil Hort (an dieser Stelle nachträglich einen Herzlichen Glückwunsch zum 70.!) fehlte. Deshalb waren wir alle ein Brett nach vorne gerutscht und machten so das 8. Brett für Matthias Limberg frei. Unsere Gastgeber liessen sich nicht lumpen und traten ebenfalls nur leicht „ersatzgeschwächt“ an. Auf dem Papier sah das dann so aus:

Br. Rangnr. SG Niederkassel 1 Rangnr. Oberhausener SV 1
1 1 Stanetzek, Carsten 2 Becker, Marcel
2 2 Riedel, Holger 3 Kaufeld, Jürgen
3 3 Mende, Andreas 4 Litwak, Aleksej
4 4 Rybarczyk, Klaus 5 Ciornei, Dragos
5 5 Bröhl, Stephan 6 Nissen, Claus
6 6 Bussard, Christian 7 Söhnchen, Andreas
7 8 Schracke, Guido 8 Voge, Andreas
8 1002 Gülsen, Taylan 10 Limberg, Matthias
Schiedsrichter: Kuhn

Der zuständige Schiedsrichter für den Kampf hatte leider nicht den Weg zum Veranstaltungsort gefunden, so daß die Schiedsrichterfunktion auf die jeweiligen Mannschaftsführer fiel, was auf Seiten des OSV meine Wenigkeit war. Problematisch war dies allerdings in keinster Weise, es kam zu keinerlei Protestfällen.

Nun zum Zustandekommen des Ergebnisses:

Für Matthias lief an Brett 8 nicht viel zusammen, obwohl er sich laut eigener Aussage die meiste Zeit über wohl gefühlt hatte. Die Eröffnung, welche aufs Brett kam, lässt sich am besten als ein farbverkehrtes Londoner System beschreiben, welches auf die Königsindische Verteidigung trifft. Wie dem auch sei, sein Gegner agierte glücklicher und schaffte es peu-a-peu Raum (überwiegend am Damenflügel) zu gewinnen und auch sonst Vorteile anzusammeln. Irgendwann ergab sich dann auch, wie so oft, die Möglichkeit einer taktischen Abwicklung, so daß dann am Ende die Null für uns stand.

Ich selber agierte, ganz untypisch für mein bisheriges Auftreten in dieser Saison, deutlich glücklicher. Zur Debatte stand die klassischste aller Varianten in der Slawischen Verteidigung, welche mit dem Informatorcode D19 bezeichnet wird. Mein Gegner ersetzte allerdings den fast obligatorisch gewordenen Zug 11…Lh5 durch ein abwartendes 11…h6, was mich im ersten Moment etwas verunsicherte. Mir gelang es allerdings durch logische Züge eine ansprechende Stellung zu erlangen, auch wenn man ihr dies nicht unbedingt auf den ersten Blick ansah. Grund dafür war, daß mein Gegner dazu kam die weißfeldrigen Läufer zu tauschen und die sich ergebende Bauernstruktur aus der Vorstossvariante in der Französischen Verteidigung hätte stammen können. Die konkrete Aufstellung der Figuren und die Schwächung durch …h7-h6 gab mir allerdings die Initiative in die Hand. Diese konnte ich durch umsichtiges Spiel verdichten und durch einen Fehler meines Gegners im 21. Zug explosionsartig vergrößern. Meinem Gegner blieb nichta anderes über als sich in ein damenloses Mittelspiel mit Minusbauern zu retten. Nach anfänglich leicht wackligem Manövrieren konnte ich in beidseitiger Zeitknappheit meinen Vorteil ausbauen; mein Gegenüber gab nach einem Qualitätseinsteller auf.

Der Ausgleichstreffer hielt nicht lange vor; kurz nach mir verlor Andreas Söhnchen seine Carokann-Partie. Sein Gegner hatte gegen diese mit 3.f3 die sogenannte Fantasy-Variante gewählt, worauf Andreas mit 3…Db6 reagierte. Hier ergab sich ebenfalls, wenn auch viel, viel früher ein damenloses Mittelspiel, welches wegen eines weißen Isolani auf e4 auch ansprechend für Andreas aussah. Leider achtete er nicht ausreichend auf die Kontrolle des Feldes vor diesem Bauern, so daß dieser rasch in ein Endspiel abwickeln konnte in welchem Andreas selber mit Bauernschwächen zu kämpfen hatte. Kurze Zeit darauf reduzierte sich das Material noch einmal deutlich, so daß es ein Turmendspiel mit vielen Bauern auf dem Brett wurde. In diesem musste sich unser Mann nach zäher Verteidigung geschlagen geben.

Bedauerlicherweise hatte Andreas Voge an Brett 7 nicht mehr Erfolg. Er bekam es als Weißer mit der Löwenfisch-Variante im offenen Sizilianer zu tun (1,e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 e5 5.Sb5 a6 6.Sd6+ Lxd6 7.Dxd6 Df6). Nach dem …d7-d5-Standardbauernopfer des Schwarzen erhielt er dank sattelfester Theoriekenntnisse auch gutes Spiel, nicht zuletzt dank eines starken Mehr- und Freibauern auf d6. Nach einem Remisangebot des Gegners griff er leider prompt daneben, so daß er seinen Mehrfreibauern sofort verlor und kurze Zeit später auch die Partie, weil sich nun der schwarze Läufer dem weißen Springer als überlegen erwies und sich vor allem die höhere Königssicherheit des Schwarzen bemerkbar machten.

Als Lichtblick lief bei Aleksej am dritten Brett alles glatt. Das war in Anbetracht der messerscharfen Stellung keine Selbstverständlichkeit. Thema seiner Partie war der berüchtigte Sveshnikov-Sizilianer, der auf den ersten Blick so antipositionell ausschaut und sich im Laufe der Zeit doch als genauso unknackbar erwiesen hat wie die Slawische Verteidigung. Aleksej griff zu einer mittlerweile wohl aus der Mode gekommenen Bauernopfervariante (geopfert wurde der h-Bauer). Diese ist ultrascharf und wirkt auf den ersten Blick so, als hätte Weiß den Verstand verloren. Weniger natürlich wegen dem Bauernopfer selbst, sondern vielmehr der weiße König kurzzeitig im Zentrum rumturnen muß, um dann obendrein noch künstlich eine eher labile Rochadestellung am Damenflügel einzunehmen. Obendrein besitzt Schwarz in einer halboffenen Stellung das Läuferpaar. Der Eindruck täuscht natürlich ein wenig, denn Weiß hat auch einige Trümpfe in der Hand. So kann er auf einen sehr aktiven Springer auf d5 bauen als auch auf zwei halboffene Linien am Königsflügel, auf denen er sämtliche Schwerfiguren gegen den schwarzen König in Stellung bringen kann, dessen Rochadestellung ebenfalls geschwächt ist. Jedenfalls hatte Aleksej alles säuberlich zu Hause vorbereitet und dies machte sich, wie schon angedeutet, voll bezahlt. Sein Gegner behandelte die für beide Seiten schwer zu spielende Stellung ungenau, so daß Aleksej seinen Königsangriff in einen überwältigenden Materialvorteil transformieren konnte und gewann.

Das war es dann auch schon mit den guten Nachrichten, denn ab hier brach alles zusammen. Dabei sah es danach aus, als ließe sich zumindest noch ein relativ souveränes 4:4 erzielen.

Claus‘ Partie lief zunächst wenig erfolgversprechend. Er entschied sich für einen interessanten Nebenweg (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sbd2!?) gegen die Slawische Verteidigung seines Gegners. Leider begab es sich, daß ebendieser sich jüngst mit dieser Variante vertraut gemacht hatte und sie dementsprechend sicher behandelte. Das Mittelspiel gestaltete sich denn auch gut für den Niederkasseler, doch dank gewohnt zäher Gegenwehr gelang es Claus dessen Randfreibauern auf der a-Linie zu erobern. Als Kompensation erhielt der Schwarzspieler einen guten Springer gegen einen eher halb so guten Läufer. Im weiteren Verlauf wurden dann die Damen getauscht, so daß es nach einem sicheren Unentschieden aussah. Doch dann übersah unser Mann eine zum Qualitätsverlust führende Springergabel, so daß unsere Hoffnung auf das mannschaftliche Unentschieden praktisch zerschlagen war.

Die Schwarzpartie von Dragos war der Grund gewesen, warum wir vor der unglücklichen Niederlage von Claus noch mit einem 4:4 ernsthaft rechnen konnten. In der Sämischvariante der Königsindischen Verteidigung hatte er dank eines taktischen Fehlers seines Kontrahenten einen Läufer zum Preis eines Bauern gewinnen können, zudem war heterogen rochiert worden, wobei der weiße König am Damenflügel und der schwarze König am Königsflügel ein Quartier gefunden hatten. Vieles sprach dafür, daß eben der weiße König über kurz oder lang Opfer eines Mattangriffs werden würde, denn dem Weißen fehlte es für einen erfolgreichen Mattangriff an Material. Er hielt aber zwei Bedenkzeitkontrollen lang stand, anders als Dragos, dem die Stellung in seiner zweiten Zeitnotphase völlig entglitt und statt ihm sein Gegner den vollen Punkt einheimste.

Somit war auch theoretisch kein 4:4 mehr zu holen, wobei mit einem solchen Ergebnis, realistisch betrachtet, schon nicht mehr zu rechnen gewesen war. Denn Jürgen hatte zu keinem Zeitpunkt ernsthafte Gewinnchancen. In einem aus der Bogoindischen Verteidigung entstandenen Mittelspiel hatte er die meiste Zeit gegen eine zwar leichte, aber auch dauerhafte Initiative seines Gegners anzukämpfen. Das gelang ihm zwar auch und er konnte zudem auch einen zwischenzeitlich entstandenen Isolani im Damenendspiel loswerden. Mehr war allerdings nicht vergönnt. Als sich erste vage Gewinnchancen abzeichneten, basierend auf einer Bauernmehrheit am Damenflügel, konnte sein Gegenspieler problemlos ein Dauerschach erzwingen.

Als Endergebnis stand somit ein 2,5 – 5,5 gegen Niederkassel zu Buche, in der Gesamtplatzierung stehen wir im Moment genau einen Platz über der Abstiegszone.

Immerhin konnten wir als Trost mit allen acht Mann ins nebenan gelegene Restaurant zum Mannschaftsessen einkehren.

DSC03588 Andreas Söhnchen ist auf dem Bild leider nicht zu erkennen; er sitzt links vor Andreas Voge.