NRW-Klasse I 2013/14: Oberhausener SV – Südlohner SV

Marcel Becker
Der Klassenerhalt ist gesichert!
Unser Sieg, der dies bewerkstelligte, fiel mit 5,5 – 2,5 hoch aus und kann auch als verdient betrachtet werden. Wir traten, wie beim letzten Mal, mit unserer vollständigen Stammbesetzung an. Es folgt eine grobe Umschreibung des Kampfverlaufs:
Dragos Ciornei traf an Brett 5 als Schwarzer mit seinen königsindischen Ambitionen auf Manfred Böcker und das gern als „Rentner-Aufbau“ verspottete Londoner System (1.d4, 2.Sf3, 3.Lf4). Die daraus entstehende Stellung war zwar bequem für Schwarz, bot aber auch wenig Luft nach oben hin. Nach einigen Leichtfigurtäuschen und einem Bauerntausch einigte man sich auf Remis.
An Brett 8 entwickelten sich die Dinge weniger trocken. Andreas Voge spielte mit Weiß gegen Alfred Richters. Von dieser Partie bekam ich nicht viel mit, außer daß die Stellung, in der Remis vereinbart wurde, wohl aus dem KIA gegen die Französische Verteidigung hervorgegangen war. Dazu eine kleine Ergänzung. Andreas‘ bekam in der etwas verwickelten Stellung ein Remisangebot, welches er mir in meiner Eigenschaft als Mannschaftsführer mitteilte. Da sich die Lage an allen anderen Brettern m. E. im Ganzen positiv gestaltete und Andreas‘ Partie der einzige Risikofaktor schien (mit dieser Gesamtbeurteilung der Situation lag ich, wie sich noch herausstellen sollte, nicht ganz richtig), empfahl ich die Annahme dieses Angebots. Andreas sagte mir zwar noch, daß er sich wohl fühlte und gerne weiterspielen würde, aber ich wiederholte meine Empfehlung, woraufhin Andreas besagtes Angebot annahm.
Andreas Söhnchen steuerte mit den schwarzen Steinen an Brett 7 gegen Frank Kempe den ersten vollen Punkt bei. In der slawischen Eröffnung bot sein Gegner auf e5 seinen Springer zum Tausch an, womit er den Grundstein für seine Niederlage legte. Denn die so entstehende Zerrüttung der weißen Bauernstruktur war irreparabel und bot Andreas die Möglichkeit, die weit vorgeschobene weiße Bauernkette/-insel (a3-b4-c5) am Damenflügel aufzurollen. Die höhere Figurenaktivität des Schwarzen verstärkte die Wirksamkeit der Aufrollung, so daß sich der Weiße davon nicht mehr erholen konnte.
An Brett 2 lieferte Marcel Becker (also ich) mit Weiß gegen Khaled Darwisch den zweiten Punkt. Zur Debatte stand die Moderne Verteidigung, auch als Königsfianchetto bekannt. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß Schwarz im Gegensatz zur Pirc-Verteidigung oder der Königsindischen Verteidigung seinen Königsspringer möglichst lange auf g8 stehen lässt, um je nach Sachlage den typischen Bauernvorstoss …f7-f5 vor der Entwicklung des Sg8 zu spielen (und dadurch im Vergleich z. B. zum Königsinder wertvolle Zeit zu sparen) oder den Springer über e7 oder gar h6 zu entwickeln, wenn sich dies als vorteilhafter erweist. Soweit mein kleiner Eröffnungsexkurs. Jedenfalls war ich Herr der Lage und konnte mit natürlichen Zügen eine bessere Stellung erreichen. Im weiteren Verlauf zwang ich ihn erst zur – für sich noch nicht dramatischen – Aufgabe des Rochaderechts; kurze Zeit später sah er sich veranlasst einen Bauern zu opfern für allenfalls dürftige Kompensation. Auch wenn ich nicht immer den allerbesten Zug fand und meine Bedenkzeit knapp zu werden drohte, war ich doch weitgehend Herr der Lage. Später gewann ich bei gegnerischer Zeitnot und eines daraus entspringenden taktischen Fehlers einen zweiten und dritten Bauern, wonach die schwarze Stellung zerfiel. Zum Schluß ermöglichten meine beiden Freibauern eine hübsche Kombination, die sich mein Gegner nicht mehr zeigen ließ.
Claus Nissen an Brett 6 musste gegen Andreas Telöken die einzige Niederlage verbuchen. Mit den weißen Steinen hatte er sich im Englischen Vierspringerspiel eine gute Stellung erspielt, um diese dann leider später durch einen taktischen Fehler zu ruinieren. Sein Gegner bekam ein gefährlichen Freibauern auf der d-Linie und verwertete diesen auch konsequent und zur Krönung mit einer sogenannten „Petit Combination“.
Jürgen Kaufeld bekam mit Schwarz an Brett 3 gegen Elmar Dönnebrink ebenfalls Probleme und hier handelt es sich um eine Partie, die ich vorher etwas zu optimistisch eingeschätzt hatte. Jürgen hatte, wie üblich, zum Sizilianer gegriffen und herausgekommen war eine Stellung, die viel von dem Königsindischen Angriff hatte. Er kam nicht gut damit zurecht, rochierte lang (was wahrscheinlich eine gute Entscheidung war), konnte aber eine für Weiß vorteilhafte Abwicklung in ein Endspiel nicht vermeiden. Zeitnot kam, wie so oft in schwierigen Stellungen, hinzu. Hätte Weiß präzise gespielt, dann hätte er per Tausch seiner letzten Leichtfigur die schwarze Bauernstruktur am Königsflügel zertrümmert und Schwarz so ein wahrscheinlich hoffnungsloses Turmendspiel mit Minusbauern aufgezwungen. So hingegen blieben der schwarze Läufer und der weiße Springer auf dem Brett, was die schwarzen Gegenspielchancen erhöhte. Tatsächlich drehte sich im weiteren Partieverlauf der Wind soweit, daß Jürgen ein Turmendspiel erhielt, wo er einen Mehrbauern besaß. Allerdings verhinderten die gegnerische Figurenaktivität sowie der Mangel an Gesamtmaterial auf beiden Seiten eine erfolgreiche Verwertung, so daß nur ein Unentschieden blieb. Worüber man sich letzten Endes nicht beschweren kann.
Wesentlich angenehmer gestaltete sich die Schwarzpartie von unserem Spitzenbrett Vlastimil Hort gegen Klaudio Kolakovic. Der Weißspieler strebte eine geschlossene Stellung an, in der Schwarz dauerhaft bequemes Spiel hatte und nahezu problemlos seine Stellung verstärken konnte. Vlastimil spielte das Mittelspiel souverän und gelangte in ein Endspiel, wo er die Qualität mehr hatte. Hier gab es einen Schreckmoment, wo der Gegner ihm durch ein Ablenkungsbauernopfer noch hätte gefährlich werden können. An dieser Chance ging er zu unserem Glück aber vorbei. Später opferte Vlastimil die Qualität zurück und sammelte so noch einige Bauern seines Gegners ein. Und einen vollen Punkt.
Ebenfalls erfolgreich agierte Aleksej Litwak an Brett 4 gegen Wolfgang Hater. Er hatte die weißen Steine und bekam in der Spanischen Eröffnung die Steinitzvariante (3…d6) vorgesetzt. Aleksej lenkte in eine Stellung über, die stukturell dem klassischen Königsinder glich, wenn Weiß mit d4-d5 das Zentrum schliesst (was oft vorkommt, nebenbei bemerkt). Im Unterschied zu dieser Königsindischstruktur hatte Schwarz aber nicht den Läufer fianchettiert und auf g6 anstelle des Bauern seinen Königsspringer platziert (via Sg8-e7-g6). Die positionellen Faktoren begünstigten den Weißen und Aleksej gelang auch der entsprechende Nachweis. Im weiteren Partieverlauf konnte er den Druck auf die schwarze Stellung so erhöhen, daß sich eine Materialkonstellation erzwingen ließ, bei der Schwarz einen Turm mehr hatte, Aleksej dafür aber Läufer und Springer. Diese erwiesen sich als tödliches Duo, so daß Schwarz die Waffen strecken musste und so der Mannschaftskampf endgültig abgeschlossen wurde.
Was bleibt als Fazit zu ziehen? Wir haben es geschafft, obwohl wir insgesamt in den Mannschaftskämpfen unter den Möglichkeiten blieben, vorzeitig den Klassenerhalt zu sichern und befinden uns aktuell sogar auf dem 4. Platz in der Tabelle. Dem Letztrundenkampf können wir gelassen entgegensehen.

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