NRW-Klasse I 2013/14: Oberhausener SV – PSV Duisburg

Marcel Becker

In Anbetracht unseres bedrohlichen Standes in der Tabelle traten wir in vollständiger Besetzung an mit dem festen Vorsatz, gegen den Tabellenführer PSV Duisburg zumindest ein Unentschieden zu holen, idealerweise sogar einen Sieg. Daraus geworden ist leider nichts. Aber der Reihe nach:

Sehr schnell endete die Partie zwischen Jürgen Kaufeld und Joachim Schmitz am dritten Brett. Jürgen führte die schwarzen Steine und plante ambitioniert einen Najdorf-Sizilianer aufs Brett zu bringen. Sein Gegner hatte diesbezüglich etwas andere Pläne und nutzte die leider kaum vermeidbare Gelegenheit mit 3.Lb5+ etwas einfachere Stellungen anzustreben. Jürgen antwortete mit 3…Ld7 und lief so seinem Gegner scheinbar in eine bequeme Version des Maroczy-Aufbaus rein. Allerdings wusste er natürlich um das spektakuläre, aber zur schnellen Verflachung führende und durch Ivanchuk bekannt gewordene Bauernopfer mit 11…d6-d5, welches mit einem ebenfalls temporären Figurenopfer verknüpft ist. Sein Gegner vollzog noch den taktisch erzwingbaren Tausch der schwarzfeldrigen Läufer, womit jegliches Leben aus der Stellung gewichen und das Kurzremis perfekt war. Wer den genauen Verlauf wissen will, kann sich in einschlägigen Datenbanken die Partie Achim Illner – Jürgen Kaufeld anschauen. Das soll jetzt aber keine Kritik sein, denn das Remis wurde gegen einen Gegner erzielt, dessen Wertungszahl seine volle Spielstärke nicht widerspiegelt.

Über die Partie von Andreas Voge (Weiß) gegen Marko Sponheim an Brett 8 kann ich nicht viel berichten, weil ich nur wenig Zeit hatte mir diese näher anzuschauen und unmittelbar nach ihrer Beendigung keine weiteren Informationen ihren Verlauf betreffend verfügbar waren. Jedenfalls kam auch hier die sizilanische Eröffnung aufs Brett, allerdings in einer deutlich anderen und schärferen Version als an Brett 3. Andreas rochierte lang und sein Gegner lange Zeit rein gar nicht. Andreas schob seine Bauern am Königsflügel nach vorne und Schwarz griff am Damenflügel an. Es sah vieles nach der Art von Stellungen aus, in denen Andreas öfters spektakuläre Angriffssiege landet, doch diesmal muß irgendwie Sand ins Getriebe gekommen sein. Am Ende stand jedenfalls eine Niederlage für uns.

Die Partie an Brett 5, wo Dragos Ciornei die schwarzen Steine gegen Sulejman Maslak in die Schlacht führte, verlief leider nicht erfolgreicher. Wie gewohnt griff Dragos zu Königsindisch. Sein Gegner wich den üblichen Eröffnungspfaden aus und spielte eine etwas ungewöhnliche Variation des g3-Königsinders. So zog er seinen e-Bauern nicht nach e4, wie es typisch gewesen wäre, sondern nach e3, gefolgt von Sge2 (meistens zieht man den weißen Königsspringer nach f3). Dagegen fand unser Mann kein wirksames Rezept. Er wählte eine augenscheinlich flexible Aufstellung mit …c7-c6 und …Dd8-e7, was sich aber gegen späteres b2-b3 gefolgt von Lc1-a3 als anfällig erweisen sollte. Dragos geriet in Zeitnot und Weiß konnte im weiteren Verlauf taktisch das schwarze Zentrum derart knacken, daß es unseren Spieler eine Figur kostete. Die Partie war nicht mehr zu retten, eine weitere Niederlage zu unseren Lasten stand zu Buche.

Sehr erfreulich hingegen verlief die Partie von Claus Nissen ein Brett tiefer, wo er mit den weißen Figuren gegen Guido Heisel antrat. Zur Debatte stand Skandinavisch mit der Zugfolge 1.e4 d5 2.exd5 Sf6 3.d4 Lg4. Anstatt sich auf die messerscharfen Verwicklungen nach 4.f3 Lf5 5.c4 e6 einzulassen, trocknete Claus die Stellung mittels 4.Le2 Lxe2 5.Sgxe2 etwas aus. Objektiv war danach mehr oder weniger alles im Gleichgewicht, doch Guido überzog sein Limit in der Absicht einen Königsangriff zu starten. Dabei zog er seinen König nach e7, wovon er sich nicht mehr erholen sollte. Claus erhielt in Folge einen Freibauern auf der d-Linie, konnte den Schwarzen dazu zwingen die Verbindung zwischen seinen Türmen zu unterbrechen und konnte eine sich halb öffnende f-Linie obendrein selber zum Königsangriff nutzen. Und dies erfolgreich, am Ende stand unser erster Einzelsieg.

Mir selber an Brett 2 gelang es mit Weiß gegen Kai-Uwe Schiffer einen zweiten Sieg hinzu zu fügen. Mein Gegner wählte die Tarraschverteidigung, worauf ich entgegen sonstiger Gewohnheit auf die mit 5.Sf3 Sc6 6.g3 beginnende Hauptvariante verzichtete und mich stattdessen mit 6.dxc5 auf eine Variante einließ, welche Schwarz nach vorläufigen Erkenntnissen die Wahl zwischen einem Gambit mit zweifelhafter Kompensation und einem Endspiel lässt, bei dem Weiß das Läuferpaar und langanhaltenden leichten Vorteil erhält. Zu einem solchen Endspiel kam es, allerdings halbierte sich das Läuferpaar rasch. Als Gegenwert blieb der schwarze König bei offenem Zentrum in der Brettmitte hängen, was mir Entwicklungsvorsprung und höhere Figurenaktivität einbrachte. Dies konnte ich, begleitet von weiteren Abtäuschen (am „Ende“ verblieben Turm und Springer je Seite) in einen sicheren Mehrbauern umwandeln. Mein Gegner hatte bereits einiges an Zeit verbraucht und sie ging stark zur Neige, trotz des üblichen Inkrement (30-Sekunden-Aufschlag pro Zug). An einer Stelle zog er zu langsam und drückte infolgedessen die Uhr zu langsam, so daß er durch Zeitüberschreitung verlor. Allerdings hätte er den Verlust eines weiteren Bauern (und damit wohl auch den der Partie) nicht mehr vermeiden können.

Somit stand es 2,5 – 2,5, was an sich gar nicht unerfreulich war. Leider verliefen die restlichen drei Partien nicht zu unseren Gunsten.

Am Spitzenbrett hatte sich Vlastimil Hort als Schwarzspieler entschlossen gegen Jürgen Fleck (Internationaler Meister und Studienkomponist) zum Sizilaner zu greifen, den er etwas atypisch anlegte um den Gegner aus dem Buch zu bringen. Leider ging die Rechnung nicht zu unseren Gunsten auf. Weiß erhielt zum Preis einer Figur einen gefährlichen Königsangriff. Schwarz hatte wahrscheinlich zum Ausgleich ausreichendes Gegenspiel, doch einmal mehr forderte Zeitnot ihren Tribut. Auch hier eine Niederlage für uns.

Andreas Söhnchen konnte an Brett 7 gegen Andre Kleff mit den schwarzen Puppen selbige nicht wirklich tanzen lassen. Der Anfang war schwerblütig, ein Symmetrie-Engländer (1.c4 c5) mit verschachteltem Zentrum und die Figuren standen auf beiden Seiten derart, daß sie sich fast ausnahmslos horizontal spiegelten (die implizit erwähnte Ausnahme waren ein weißer Bauer auf a3 und ein schwarzer Bauer auf a5). Andreas spielte etwas ungenau und improvisierte daraufhin mit einer Zentrumsöffnung, welche ihm ein Qualitätsopfer auferlegte, für das er den schwarzfeldrigen Läufer von Weiß erhielt. Hätte Weiß danach zum richtigen Bauernzug gegriffen, wäre die schwarze Stellung wohl rasch eingegangen. Glücklicherweise wählte er jedoch einen Bauernzug, welcher sämtliche schwarzen Felder um seinen König entblösste und zugleich seinen Lg2 nahezu einmauerte. Unglücklicherweise reichte dies jedoch nicht zum Gewinn, in einem späteren Damenendspiel mit ungleichfarbigen Läufern versandete die Partie zum Remis.

Blieb noch eine Partie an Brett 4 übrig. Dort kämpfte Aleksej Litwak als Weißspieler gegen Walter Wengenroth. Es lief zunächst alles recht viel versprechend. Im geschlossenen Spanier folgte Aleksej seinen bewährten Heimanalysen und spielte 9.d4 anstatt dem früher als besser angesehenen prophylaktischen 9.h3. Er erhielt eine bessere, von der Bauernstruktur her an Benoni erinnernde Stellung mit Raumvorteil und einem potentiell abgeklemmten weißfeldrigen Läufer auf g6 von Schwarz. Allerdings agierte er später etwas zu zaghaft und deckte einen Bauern auf b2, anstatt diesen zu opfern und die dadurch gewonnene Zeit dafür zu nutzen die eigenen Bauern am Königsflügel nach vorne zu werfen und somit starke Kompensation zu erhalten. Sein Gegner wusste seine Zeit leider besser zu nutzen und entwickelte starkes Gegenspiel, welches die Stellung zu seinen Gunsten kippte. Weiß musste später die Qualität opfern, wonach er sich in einer Lage wiederfand, in der bestenfalls ein Remis drin war und auch dieses nur mit viel Glück. Schwarz hätte, anders ausgedrückt, risikolos auf Gewinn spielen können. Er entschied sich aber durch ein Remisangebot, dessen Ablehnung unsinnig gewesen wäre, den Mannschaftssieg für den PSV zu sichern.

Somit kassierten wir eine weitere Niederlage, diesmal mit 3,5 – 4,5. Immerhin war der Schmerz schnell vorbei, denn der komplette Kampf endete vor der ersten Zeitkontrolle. Dadurch war immerhin ein weiteres Mannschaftsessen drin, diesmal im „Salvatore“ in Oberhausen, ein italienisches Restaurant nicht weit vom Hauptbahnhof.

Unser Tabellenstand ist leider weniger erbaulich, aktuell stehen wir auf dem drittletzten Platz und befinden uns damit in der Abstiegszone. Eine Chance für uns besteht darin, daß wir zwei der drei noch zu spielenden Runden gegen die laut Tabelle aktuell vorletzte und letzte Mannschaft bestreiten werden. Wir können uns also aus eigener Kraft aus der Notlage befreien. Zuerst aber gilt es in der nächsten Runde gegen die Elberfelder SG zu bestehen.

NRW-Klasse I 2013/14: Oberhausener SV - PSV Duisburg Post-Mortem-Analyse der Partie von Aleksej Litwak – Walter Wengenroth

Ein Gedanke zu “NRW-Klasse I 2013/14: Oberhausener SV – PSV Duisburg

  • 12. Februar 2014 um 01:28
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    Immer wieder berichtet Marcel ausführlich von der Ersten!
    Zusätzlich ist er für die Facebook-Gemeinde aktiv.
    Danke von der Redaktion und den Mitgliedern.

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